Ein Viertel, an dem niemand in München vorbeikommt: das Westend. Die Schwanthalerhöhe, früher „Glasscherben- bzw. Räuberviertel“, heute beliebter „In-Kiez“. Was früher die industrielle Vorstadt war, ist heute eines der beliebtesten Viertel der (Fast-) Innenstadt.
Das wichtigste Wahrzeichen Bayerns, die Bavaria, befindet sich direkt am Rande Westends. Das Messegelände und die Theresienwiese machen das Westend, auch die Schwanthalerhöhe genannt, zu einem der historisch bedeutendsten Viertel Münchens.
Westend oder Schwanthalerhöhe: Was ist der Unterschied?
Eine Google-Suche sollte schnell klären, was der Unterschied zwischen der Schwanthalerhöhe und dem Westend ist, oder? So einfach ist es allerdings nicht, auch wenn Google-Maps das einem gerne weismachen würde. Die Schwanthalerhöhe ist der deutlich ältere Teil des Viertels, das heute in seiner Gesamtheit Westend genannt wird.
Die Schwanthalerhöhe liegt auf dem Isarhang. Das merkt der durch das Viertel Flanierende schnell, sowohl im Westen Richtung Theresienwiese als auch im Norden Richtung Hauptbahnhof geht es ziemlich steil bergab.
Der Bereich der Schwanthalerhöhe bildete Anfang des 19. Jahrhunderts die äußerste Stadtgrenze und zeichnete sich um den Bereich der Theresienhöhe durch die Bavaria und die ehemalige Schießstätte sowie eine Vielzahl von Biergärten aus. Im Norden bildet die Westendstraße die Grenze der Schwanthalerhöhe und im Osten die Ganghoferstraße.
Westlich der Schwanthalerhöhe liegt das Westend – niemand würde diese Unterscheidung machen – das gesamte Viertel wird grundsätzlich Westend genannt und höchstens der Bereich der Theresienhöhe um den Bavariapark herum wird hin und wieder als Schwanthalerhöhe bezeichnet.
Das Westend endet im Westen und Süden mit der Bahnschleife und im Norden mit der ehemaligen Bahnstrecke nach Augsburg, der heutigen Stammstrecke zwischen Donnersberger- und Hackerbrücke.
Von der Sendlinger Haide zum Industriestandort – Das rasante Wachstum der Schwanthalerhöhe
Die Bavaria ist eines der wichtigsten Wahrzeichen Münchens, gar eines der wichtigsten Bayerns. München ohne die Bavaria ist undenkbar, fertiggestellt wurde sie allerdings erst im Jahr 1853. Ihr ursprünglicher Auftraggeber Ludwig I. dankte noch vor der Fertigstellung im Jahr 1848 ab. War also vor der Errichtung der Bavaria gar nichts auf der Sendlinger Haide?
Die Brauereien machen wie immer den Anfang …
Fast, den Grundstein für die spätere Entwicklung der Sendlinger Haide zur Schwanthalerhöhe legten, wie immer in München, die Brauereien. Über das Münchner Bier und Münchner Brauereien haben wir einen eigenen Artikel geschrieben. Für das Westend ist vor allem wichtig, dass bereits im Jahr 1800 einige Brauereien Grundstücke an der oberen Isarhangkante erwarben, um dort Kühlkeller anzulegen.
Durch die Bierkeller und die spätere Verlegung einiger Brauereien, von denen heute die Augustinerbrauerei immer noch an derselben Stelle betrieben wird, entstand auf der Sendlinger Haide eine ausgeprägte Biergartentradition. Für die Münchner wurden die auf der Haide gelegenen Biergärten zu beliebten Ausflugszielen.
Davon ist heute leider nur noch wenig übrig geblieben. Allerdings wurde, nachdem die Biergärten in den 1970ern abgerissen wurden, einer der Biergärten wieder aufgebaut. Dieser steht heute vor den Toren der alten Messehallen, in denen heute das deutsche Verkehrsmuseum zu finden ist.
Und die Eisenbahn schließt die Arbeit ab.
Der ausschlaggebende Punkt für die Entwicklung der Sendlinger Haide zum heutigen Westend machte die Eisenbahn. Ursprünglich verlief eine Bahntrasse direkt durch den heutigen Bezirk, wurde aber sehr schnell auf die Strecke der heutigen Stammstrecke verlegt. Entlang der Bahngleise entstanden in den Jahren zwischen 1840 und 1900 viele Fabriken, die für stetigen Zuzug der Arbeiterschaft sorgten.
So stieg die Bevölkerung im heutigen Westend zwischen 1836 und 1900 von 76 Familien in 38 Häusern auf rund 34.000 Einwohner. Ein rasanter Anstieg, der natürlich zu sozialen Spannungen führte.
Das war allerdings keineswegs so gedacht oder gewollt von den hohen Herrschaften der königlichen Residenzstadt München. Entlang des Planes des bayrischen Königs Ludwig I., “aus München eine Stadt zu machen, die Deutschland zur Ehre gereicht, sodass keiner Deutschland kennt, ohne München gesehen zu haben”, wurden im Westend viele Straßen nach wichtigen und berühmten Münchner Patrizierfamilien benannt.
Der Plan war, aus dem Westend eine Gegend der gehobenen Bürgerschaft zu machen. Dieser Plan schlug mit der schnellen quartierähnlichen Entwicklung des Westends allerdings gründlich fehl.
Später organisierten sich die Arbeiter selbst und gründeten Genossenschaften, die Wohnungen bauten, aber auch einige aufkauften. Noch heute sind viele Wohnungen im Westend im Besitz der Genossenschaft und bieten so vergleichsweise billigen Wohnraum mitten in der teuersten Stadt Deutschlands.
Messegelände und Bavariapark – Wie, wann und warum sind sie entstanden?
Das Messegelände und der Bavariapark sind heute bekannte, angenehme und für jeden zugängliche Erholungsräume mitten in der Stadt. Für die Anwohner bieten sich dort in perfekter Lage schöne Grünflächen und das Messegelände ist ein bekannter Abhäng-Ort für die Jugend der Gegend.
Das war allerdings nicht immer so. Der Bavariapark war ursprünglich im Staatsbesitz des bayrischen Königshauses und der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Ursprünglich sollte an der Stelle der Bavaria nämlich eine Villa für Königin Therese entstehen, weswegen der Park auch früher Theresienhain hieß. Es wurde sich schließlich aber gegen den Plan entschieden und die Bavaria wurde im Ensemble mit der Ruhmeshalle errichtet.
Als sich mit Ende des 19. Jahrhunderts die Bebauung und Ansiedlung von Arbeitern der Bavaria, der Ruhmeshalle und dem Park näherte, kaufte die Stadt die umliegenden Grundstücke, um den Gesamteindruck der Bavariaensembles nicht zu gefährden. An dieser Stelle konzipierte die Stadt ein Ausstellungsgelände und ließ die noch heute bestehenden Messehallen errichten.
Dieser Ort war allerdings nicht nur der Ausstellung und dem Kommerz gewidmet, auch zahlreiche Kunst- und Kulturveranstaltungen fanden in den Hallen statt. Nachdem die Messe München im Jahr 1998 auf das alte Flughafengelände in Riem verlegt wurde, wurde in den Messehallen das deutsche Verkehrsmuseum eingerichtet. Dort, wo heute die Kongresshalle steht, war früher das Künstlertheater. Dieses wurde im Krieg zerstört und durch die Kongresshalle ersetzt.
Nationalsozialismus und Zwangsarbeit im Westend
In der sogenannten „Hauptstadt der Bewegung“, also in München, hatte die NSDAP bei den Reichstagswahlen vor der Machtergreifung erwartungsgemäß recht hohe Ergebnisse. In einem Stadtteil war das allerdings nicht der Fall: dem Westend. Die KPD und die SPD stellten hier die beiden stärksten Parteien mit 32,5 % und 28,5 %. Die NSDAP kam gerade mal auf 18,5 %.
Anhand der Wahlergebnisse lässt sich schon einmal recht leicht vermuten, dass im Westend eine ganze Reihe von Personen gab, die von den Nazis politisch verfolgt wurden. Es ist gesichert, dass einige Widerstandszellen gegen die Nationalsozialisten im Westend existierten. Wer sich mit diesen genauer auseinandersetzen möchte, kann das mit dem Buch „Widerstand und Verfolgung im Münchener Westend“ des Kulturladens tun.
Interessant im Westend der Nazi-Zeit ist die hohe Anzahl an Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die nicht nur im Viertel untergebracht wurden, sondern in den vielen Betrieben vor Ort zur Arbeit gezwungen wurden. Auch eine Außenstelle des KZs Dachau befand sich im Westend. Dieses war zwischen der Ridler- und der Landsbergerstraße gelegen.
Eine Gedenktafel für die KZ-Insassen fehlt an dieser Stelle. Die Häftlinge kamen in großen Zahlen von teilweise 15 pro Tag bei Bombenräumeinsätzen ums Leben, schreibt Martin Rühlemann in „Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft im Westend zwischen 1939 und 1945“.
Im Westend gab es mindestens 15 Kriegsgefangen- und Zwangsarbeiterlager. Die dort Internierten wurden besonders in der Firma Metzeler, aber auch Opel Häusler, BMW und Dornier eingesetzt.
Vergessene Ereignisse im Westend: Der Flugzeugabsturz im Dezember 1960
Bei der Geschichte eines Stadtteils darf die moderne Geschichte natürlich nicht fehlen. Im Westend gehört dazu ganz eindeutig der Flugzeugabsturz an der Paulskirche am 17.12.1960. Die Katastrophe ereignete sich, kurz nachdem ein Militärflugzeug am Flughafen Riem gestartet war und direkt nach dem Start einer der zwei Motoren ausfiel. Die rechte Tragfläche des Fliegers streife die Spitze des Turms der Paulskirche und stürzte auf der Bayerstraße auf eine Straßenbahn.
Da das Flugzeug für einen Flug bis nach London betankt gewesen war, brach in Windeseile ein Feuer auf der Straße aus, in dessen Flammen alle 20 Insassen des Flugzeugs, 27 Menschen, die in der Tram gesessen hatten, und fünf Passanten ihr Leben verloren.
Das Unglück löste nicht nur in München, sondern deutschlandweit Diskussionen über stadtnahe Flughäfen aus. Die Einflugschneisen über dicht besiedelten Gebieten hatten sich in diesem tragischen Fall als extrem gefährlich herausgestellt. Wegen heftigen Bürgerprotesten wurde der Flughafen Riem nichtsdestotrotz erst in den Neunzigern geschlossen und der heutige Franz-Josef-Strauß Flughafen in Freising eröffnet.
Im Westend wird heute an den Vorfall mit einer Gedenktafel an die Opfer des Unglücks erinnert. Diese findet ihr am Ort des Unglücks an der Ecke Bayerstraße/Martin-Greif-Straße nördlich der Theresienwiese.
Was heute das Westend ausmacht: Beliebtes und Hippes Weggehviertel
Gut, nun haben wir aber genug von der Geschichte des Westends geredet, interessant ist jetzt vor allem, was das Westend heute ausmacht. Das Westend ist wahrscheinlich das beliebteste Weggehviertel im Westen Münchens. Eines der wenigen Viertel in München, in denen sofort ein Kiez-Gefühl aufkommt. Wer gerne Zeit in Hamburg oder Berlin verbringt, der wird sich im Westend direkt wohlfühlen.
Geschaffen wird dieses Westend-Lebensgefühl durch die enge und freundschaftliche Nachbarschaft, den vielen süßen Cafés und den entschleunigten Lebensrhythmus.
Gerne würden wir alle empfehlenswerten Orte im Westend aufzählen. Das wird allerdings deutlich zu viel, daher nimmt sich der Autor die Freiheit, spezifisch nur seine persönlichen Lieblingskneipen und Cafeś im Westend aufzulisten:
Das Kilombo
Das Kilombo im Westend ist eine angenehmen Eckkneipe mit stilvoller Inneneinrichtung und einem entspannten Flair. Eckkneipe klingt erst einmal heruntergekommen, das passt auf das Kilombo aber überhaupt nicht. Der Raum ist recht groß, nie zu laut und immer mit guter Musik.
Die Besitzer und das Personal sind überaus freundlich, besonders ist allerdings, dass hier sowohl die Jugend des Viertels und der umliegenden Viertel hingehen als auch viele alt-eingesessene Münchner. Ein wunderbarer Ort der Begegnung also.
Adresse: Gollierstraße 14A, 80339
Der Westend „Best Döner”
Der Best Döner im Westend ist keine Bar, dafür ist der Name aber Programm. Der Best Döner ist fraglos der beste Döner im Westend. Frisch gebackenes Brot, gute Zutaten und eine (keine Übertreibung) göttliche Soße machen diesen Döner zum perfekten Imbiss.
Auch auf einer Liste der besten Döner Münchens, die von der SZ zusammen mit dem Sternekoch Thomas Messerer erstellt wurde, findet sich der Westend Döner an prominenter Stelle.
Adresse: Trappentreustraße 17, 80339
King Butt
Schon wieder keine Bar, dafür aber das eheste, was nach Ladenschluss noch so etwas wie einer Bar gleicht. München ist nicht bekannt für Späti-Kultur oder gar für die Möglichkeit, nach 20 Uhr noch ein erschwingliches Bier irgendwo kaufen zu können. Meist ist die Tankstelle der einzige Weg, außer im Westend.
Im Westend gibt es den berühmt berüchtigten King Butt, für den man auch schonmal 10 Minuten Fahrrad fährt, um spätabends noch ein Bier zu ergattern. Der Betreiber, der auch über das Viertel hinaus einfach als „der King“ bekannt ist, scheint nicht besonders viel Bedarf für Schlaf zu haben. Denn zu den allermeisten Tages- und Nachtzeiten sitzt er auf seinem Bürostuhl im King Butt.
Einst war das Bier hier noch für 1,50 € zu haben, inzwischen scheint es allerdings dauerhaft auf 2,00 € gestiegen zu sein. Der Preisunterschied zur Tankstelle hält sich also inzwischen in Grenzen, dafür ist das gemütliche Beisammensein auf dem Bürgersteig neben dem Laden allein schon das Kommen wert.
Adresse: Schwanthalerstraße 154, 80339
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